München, 23. Mai 2025
In uns der Titel – Wie mein Roman seinen Namen bekam
Manchmal weiß man, wie das Buch heißen wird, in dem Moment, in dem einen die Idee für die Geschichte kommt. So war es beim ersten Teil meiner Gutsherrin-Trilogie über eine Familie aus Ostpreußen. So weit die Störche ziehen – diesen Gedanken, dieses Bild hatte ich augenblicklich im Kopf, als ich 2019 beschloss, über das, was meine Mutter und meine Großeltern während des zweiten Weltkriegs erlebt hatten, einen Roman zu schreiben. Der Storch ist – neben dem Elch – ein geradezu symbolisches Tier für dieses ehemals deutsche Gebiet im heutigen Polen. Und Zugvögel sind ein wunderbares Sinnbild für die Thematik, um die es sich in diesem Roman dreht: Verlust, Aufbruch, Neunanfang, Sehnsucht, aber auch Tapferkeit, Zielstrebigkeit, Durchhaltekraft und Stärke.
Manchmal entsteht der Titel erst während des Schreibens, so wie bei meinem aktuellen Roman In uns der Ozean, dem die Geschichte der Umweltschützerin Rachel Carson zugrunde liegt. Während ich noch recherchierte, Material sammelte und an den ersten Kapiteln schrieb, stand auf meiner Textdatei im Computer einfach „Rachel“. Aber so würde das Buch am Ende natürlich nicht heißen. Ein Titel soll ja neugierig machen, die Atmosphäre der Geschichte widerspiegeln, seine Aussage auf den Punkt bringen. Also dachte ich nach: Worum geht’s in meinem Roman? Um eine Meeresbiologin, die sich mit der mächtigen amerikanischen Chemieindustrie anlegt, um auf die Gefahren durch einen maßlosen Pestizidgebrauch aufmerksam zu machen. Eine Frau, die so vieles gleichzeitig war: Poetin und Wissenschaftlerin, zurückhaltend und mutig, verträumt und verantwortungsbewusst.
Rachel Carsons Bücher (und andere über das Meer), die ich gelesen hatte, standen vor mir auf dem Schreibtisch. Ich sah mir die Titel an – und bei einem blieb mein Blick länger hängen. The sea around us, zu deutsch: Das Meer um uns. Mit diesem Buch hatte Rachel Carson Anfang der 1950er Jahren ihren Durchbruch. Es ist eine Hommage an den Ozean, eine anschauliche, geradezu lyrische Einführung in die Welt der Meere, ihre Entstehungsgeschichte, ihr Ökosystem. Das Bewusstsein, dass alles Leben aus dem Meer entstanden ist und dass die Meere für das Leben auf unserem Planeten noch immer von größter Bedeutung sind, hat sie immer geleitet. Deshalb hatte sie zeitlebens eine besondere Beziehung zum Meer. Weltweit ist Rachel Carson zwar durch ihren Kampf gegen DDT und andere Chemikalien berühmt geworden – aber wäre das geeignet für einen Buchtitel, der bildhaft, eingängig, atmosphärisch, klangvoll, vielleicht sogar poetisch sein sollte? Wohl eher nicht. Nein, ihre große Liebe zum Meer war das, was Rachel Carsons Leben prägte, und das sollte sich auch im Titel meines Romans zeigen.
In Stichpunkten notierte ich alles, was mir zum Thema Meer in den Sinn kam: Wasser, Wellen, Flut, Ebbe, Salz, Horizont, Sturm, Gischt ... Ich probierte ein paar Kombinationen aus, aber so richtig gefiel mir das alles noch nicht. Ich wollte keinen kitschigen Titel, und neu musste er ja auch sein. Und dann war er plötzlich da, schlug ein wie ein Blitz, dieser Halbsatz: In uns der Ozean. Ich hielt inne. Ich schrieb ihn auf, ich sprach ihn laut aus, ließ ihn mir auf der Zunge zergehen. Ja, das war richtig. Das traf es, die Geschichte, die Figur Rachel Carson, die Aussage des Romans. In uns der Ozean, ein Romantitel, in dem etwas mitschwingt: Die Weite des Meeres, Tiefe, Sehnsucht, etwas Geheimnisvolles, Rätselhaftes vielleicht, eine Ahnung von Verbundenheit, aber auch Bedrohung. Ein Titel, der Lust darauf macht, zu erfahren, welche Geschichte dahintersteckt. Zum Glück sahen das meine Lektorin und die anderen Leute beim List Verlag genauso – und der Titel kam aufs Buch. Zusammen mit einem fantastischen Coverbild, das perfekt passt. Habe ich euch neugierig gemacht? Ab dem 31. Juli könnt ihr euch eine eigene Meinung über meinen neuen Roman bilden.
Ich wünsche euch dann viel Freude beim Lesen,
Eure Theresia
München, 6. Mai 2025
Wie Rachel Carson in mein Leben kam (und blieb)
Eigentlich recherchierte ich im Sommer 2023 gerade für ein ganz anderes Buchprojekt, las mich quer durch alle möglichen Beiträge zum Thema „starke Frauen des 20. Jahrhunderts“. Und dann tauchte auf einmal der Name Rachel Carson auf. Ich hatte vage von diesem berühmten Buch Silent Spring gehört, das Anfang der 1960er Jahre vor einer maßlosen Verwendung von Pestiziden warnte. Aber ich wusste nicht, dass es eine Frau geschrieben hatte. Ich wurde neugierig, wollte mehr über die Autorin herausfinden – und blieb hängen. Es war nicht nur ihr mutiger Kampf gegen Umweltgifte, der mich faszinierte. Es war auch ihre Persönlichkeit, diese vielen Widersprüche: Rachel Carson, die zurückhaltende Naturbeobachterin, die im Licht der Öffentlichkeit für ihre Sache stritt. Die Wissenschaftlerin, die sich traute, ganz poetisch zu schreiben. Die Frau, die aus einfachsten Verhältnissen stammte und zu einer der einflussreichsten Personen des 20. Jahrhunderts wurde.
Ich las ihre Bücher und Essays, und das, was andere über sie geschrieben hatten, und vor meinen Augen wurde sie lebendig: als Tochter, als Freundin, als Forscherin, als Autorin, als engagierte Kämpferin für den Umweltschutz, die sich von der damals männlich dominierten Welt der Wissenschaft, Politik und Presse nicht hat einschüchtern lassen. Was mich fasziniert hat? Da gab es so vieles: Ihre literarische Stimme. Was für eine Gabe, wissenschaftliche Erkenntnisse so wunderschön zu erzählen! Jeder jeder Gedanke klar, jeder Satz ein Genuss. Da war ihre klare, unerschrockene Haltung, ihre Beharrlichkeit allen Widerständen zum Trotz. Ihre Zerrissenheit zwischen Pflichten und Passion, zwischen der Sorge um ihre Familie und der Sorge um die Zukunft unserer Erde. Denn sie wusste: Wenn ich’s nicht mache, dann macht es keiner. Das galt für beide Bereiche ihres Lebens. Verantwortung, das war auch eines ihrer großen Themen.
Ihr merkt schon, wie sehr mich diese Frau beeindruckt hat, und mir war rasch klar: Ich muss von Rachel erzählen. Ich muss dieses abenteuerliche Leben in einem Roman schildern. Ihr Leben IST wie ein Roman.
Es war aufwühlend und großartig, Rachel Carsons Geschichte aufzuschreiben. Und ich bin überglücklich, dass sich mein Verlag augenblicklich genauso dafür begeisterte
wie ich. Ab dem 31.7.2025 könnt ihr meinen neuen Roman lesen. In uns der Ozean erscheint als Hardcover bei List.
Eure Theresia